Von der Verkommenheit der Welt

Gerade eben beim Arzt.
Ich betrete das Wartezimmer mit einem freundlichen "Morgen". Sofort tönt mir der Lieblingswitz der Herren der Generation 75+ entgegen:"MOrgen ist Mittwoch! Hahaha...." Nein, was für ein beliebter Schenkelklopfer! War im ersten Moment etwas verwirrt, halb elf ist ja doch noch früh am Tag.
Dann fängt der Herr auch schon zu erzählen an. Er sei 92, im April 93. Bewundernde Blicke der Sitznachbarin, "das sieht man Ihnen aber nicht an". Darauf hat der Mann nur gewartet, jaja, das ganze Leben gearbeitet, Kriegsverwundung hat ihm das Leben gerettet, seine Kumpel kamen alle nicht mehr heim. Zuhause Landwirtschaft, da gab es noch keine Traktoren und sonstige Maschinen (Blick auf mich "junges Ding"), das können die sich heute gar nicht mehr vorstellen. Soweit ja noch ganz interessant. Und weiter ging´s. Seit 56 Jahren mit seinem Schatz verheiratet, sie waren sich immer treu (süß), heute gibt es sowas ja gar nicht mehr.Die Frauen kriegen Kinder, ohne zu heiraten, und der Mann soll dann zahlen (naja, war ja auch beteiligt, oder) Und dann die hohe Scheidungsrate! Die Nachbarn lassen sich gerade scheiden, nach 16 Jahren, die armen Kinder, drei der Zahl... Jaja, die Welt wird immer schlechter, jeder denkt nur noch an sich, überall Mord und Totschlag, Eltern lassen sich scheiden, Kinder verhungern.... Damals mußte man zusammen stehen, die Zeiten waren schlecht, aber die Menschen glücklich.
*Grübel* Irgendwie hat der Mann ja recht.
Aaaaber. Wieviele Patientinen haben mir schon erzählt, daß sie nie wieder heiraten würden, hätten sie vorher gewusst, wie ihr Leben verläuft. Von Männern die sich nur bedienen lassen usw. Oder Frauen, die verprügelt wurden und nur bei ihren Kerlen geblieben sind, weil die Zeit es eben nicht zugelassen hat. Skandal und so. Also war doch nicht alles besser. Heute haben Frauen eben auch ein eigenes Leben.